in diese Aussergewöhnliche Situation könnten alle Gymnasium von G8 Abitur auf G9 gehen,
um alle Schüler mehr Zeit und Gerechtigkeit und auch auch die fehlender Zeit nach zu holen

Positiv ist meiner Meinung nach:

1. Deutschland hat eines der differenziertesten Bildungssysteme weltweit. Wer mag, kann zum Beispiel das Abitur auch später absolvieren, zum Beispiel neben der Arbeit in sog. Abendschulen. Gleiches gilt für den Mittelschulabschluss (MSA), also den 10. Klasse-Abschluss.
2. Haben die Schulträger, also meist Kommunen oder konfessionelle Träger gut gefüllte Kassen und ist genügend Investitionseinsicht vorhanden, ist auch die Schulausstattung meist passabel.
3. Unabhängig vom Fächerkanon werden im Rahmen gebundener oder offener Ganztagsschulen durch die Lehrer*innen selbst, Eltern bzw. Mitglieder*innen der schulischen Fördervereine bzw. angeworbene Honorarkräfte im Nachmittagsbereich AG angeboten, die sich an den Interessen der Schüler*innen orientieren. Dazu gehören musisisch-kreative, sportliche oder auch Fächer ergänzende Angebote, wie Imkerei oder Börse & Geld usw. Dieses eher neigungsorientierte Plus an Lernofferte ist allerdings abhängig von Initiative und Engagement der jeweiligen Schulleitungen, Lehrerkollegien und der Unterstützung durch die zuständigen Schulämter und der o.g. Förder*innen.
4. Ob es die eben erwähnten Ganztagsangebote gibt, hängt ganz davon ab, welche Schulformen in einem Bundesland (pol., aber auch gesamtgesell.) gewollt und damit gefördert werden.

Und damit bin ich bei der anderen Seite der Medaille, dem, was aus meiner Sicht dringend veränderungswürdig ist. (Am Rande: Ich unterrichte seit ü20 Jahren als einerseits grundständig ausgebildete Lehrerin für die Sek. II sowie andererseits als Erwachsenenbildnerin, da ich auch Erziehungs- sowie Politik- bzw. Verwaltungswissenschaftlerin mit in allen Bereichen Praxiserfahrung bin. Hinzu kommt, dass ich ein schulpflichtiges Kind habe, das ich nun schon seit fast sechs Jahren bildungsbiographisch begleite. Ich habe also sozusagen eine Mehfachpersektive auf das breite und gleichzeitig sehr spezielle Themenfeld „Bildung in Dtl.“.)

Nun, was sollte sich aus meiner Sicht als Lehrerin, als Bildungswissenschaftlerin und als betroffenes Elternteil dringend ändern:

1. Das dt. Schulsystem leidet generell unter enormen Verwaltungsaufwand, der sich im praktischen Nutzen nicht immer erschließt und von Außenstehenden leider seltenst in vollem Ausmaß nachvollzogen werden kann. Bildungsbürokratie macht die Rahmenbedingungen für schulische Bildungsangebote und den damit verbundenen Handlungsspielraum teilweise sehr eng bzw. sogar unmöglich. Ich musste z.B. ein Schulhalbjahr ausschließlich mit meinen persönlichen Materialien und Kopien für die Schüler*innen einer Oberschule unterrichten, weil ich im laufenden Schuljahr – was schon ungewöhnlich war – eingestellt wurde und es partout unmöglich war im November/Dezember noch Lehrmittel zu bestellen, für die es seitens Schulverwaltung + Schulträger feste Bestellzyklen gibt. Nix mit bedarfsorientiert und außer der Reihe, auch wenn unterrichtsbedingt notwendig. Schulverwaltung sollte transparent und so leichtgängig wie möglich sein, damit Schulleitungen und Lehrkräfte flexibelst auf den jeweiligen Bedarf agieren können.
2. Als sehr erfahrene Lehrerin in unterschiedlichen Schulformen und Altersgruppen plädiere ich generell für Aufnahmetests bei Lehramtsstudent*innen, weil nicht jede*r, der/die meint, Lehrer*in werden zu können, auch eine*r sein sollte bzw. sein kann. Belastbare Empathie, eine ausgeprägte geistige Flexibiliät, seelische Stabilität (Resilienz) und eine dem Grunde nach durch und durch zuversichtliche Lebenseinstellung (daraus ergibt sich Geduld und Gelassenheit) + Kooperativität gehören zum A-und-O des Lehrer*innenberufes. Ergänzt wird dieses sozusagen psychisch-soziale Portfolio durch ein tiefgründiges Interesse am jeweiligen Fachgebiet bei gleichzeitig interdisziplinärem Denken, Wissbegier und Vermittlungsfreude, aus der sich fachlich das Interesse in die methodisch-didaktischen Notwendigkeiten ergibt, wenn Kindern und Jugendlichen freudvoll UND nachhaltig gem. Lehrplan und darüber hinaus in einer abgesteckten Zeitspanne und abschlussorientiert (= systematisch) Wissensinhalte vermittelt weden sollen.
3. Eine Eignungsprüfung sollte deshalb nicht nur für grundständig ausgebildete Lehrkräfte (I. + II. Staatsexamen), sondern ebenso für die wachsende Zahl von Seiten- und Quereinsteiegr*innen selbstverständliche Grundvoraussetzung für Ausbildung und Berufsbeginn als Lehrer*in sein.
4. Lehrkräfte aller Schulformen im staatlichen Schuldienst haben Dienstherren und Dienststellen, nämlich die jeweilige Schulleitung an der jeweiligen Schule, an der sie eingesetzt sind. Das Verhältnis zur Schulleitung gestaltet sich entweder im besten Falle vertrauensvoll-kooperativ oder im schlechtesten Fall feudal, in dem Sinne, dass Lehrer*innen verbrannt werden. Dies geschieht z.B. durch immer wieder kurzfristige Vertretungseinsätze – Im Sinne morgens in die Schule kommen und dann: Oh, in der 9a fehlt Ma! Das machst du bitte. afür übernimmt Herr/Frau XYZ deine Klasse. Verbrennen geschieht durch regelmäßige Überstunden, die das wöchentliche volle Stundendeputat in einigen Bundesländern bis zu 5 überschreiten können. Dies geschieht auch durch Mehrarbeit, indem Kolleg*innen seitens der Schulleitungen zugetragen wird, doch bitte die Orga für den Tag der offenen Tür, eine Bienen-AG o.Ä. zu übernehmen. Und nicht immer gibt es dafür sog. Ausgleichsstunden!
5. Um dieses Aufbürden eher unterrichtsferner Inhalte – dazu zählt übrigens auch die sehr zeitintensive COV19-Testung – , dieses Verbrennen zu vermeiden, sollten unterrichtsferne Arbeitsaufgaben ausgelagert werden, so wie es mit der Sozialarbeit bereits geschieht. Schulen sind spezialisierte Organisationseinheiten für Wissensvermittlung. Für IT oder auch Öffentlichkeitsarbeit sollte es entsprechend Beschäftigte geben. Und optimal in diesem Zusammenhang wäre, wenn es an Oberschulen und Gymnasien z.B. Jahrgangssekretär*innen und/oder für die Kernfächer Fachbereichssekretär*innen gäbe. Alleine die Administration der aktuell angeordneten COV19-Vergleichstests zum Erfassen evt./wahrscheinlicher Lernrückstände durch das home schooling raubt Lehrer*innen unglaublich viel Zeit, die die Pädagog*innen aber dringend brauchen, um sich mit Freude, Engagement und damit hoher Qualität ihrem eigentlichen Unterricht, also ihren Schüler*innen widmen zu können!

Ich hätte noch einige konstruktive, sehr praxisorientierte Vorschläge … , aber das sprengt den hiesigen Rahmen. Also: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Zeit 🙂